The Years Go By Like Broken Records – Versuch einer Best-of 2020
by mykx
2020 war ja das Jahr, das uns allen in die Fresse getreten hat. Und um das ganze jetzt noch auf die Spitze zu treiben und das Leid zu potenzieren, folgt hier nun meine Best-of 2020.
Es gibt nur Tracks, keine Alben, weil ich zwar mittlerweile durchaus Alben kaufe, sie aber nicht höre. Also zumindest nicht komplett. Das geht alles mehr oder weniger in Playlisten und wird dann durchgeshuffelt.
Einkaufstechnisch hat die Pandemie ordentlich zugeschlagen und ca. 5.500 neue Tracks in die Bibliothek gespült. Das ganze habe ich dann auf eine Vorauswahl von ca. 330 Titeln eingedampft und am Ende nach langem Kampf (im Kreise seiner Liebsten) auf die besten 56 eingekocht.
Hier bitte einfügen: ”Du hast 5.500 Tracks gekauft und DAS waren die besten???”
Ja. Danke…
Stilistisch entfernen wir uns nun durchaus deutlich von den letzten Best-Ofs, das hier ist halt die Musik, die ich wirklich höre. Wenn keiner hinschaut und meistens auch keiner hinhört.
Es wird großflächig elektronisch, obwohl auch die ein oder andere Gitarre mal durch die Balkontür hereinblinzelt. Eher weniger verspult und vielfach geradwegs poppig.
Verwegene Hot-Takes a la ”Taylor Swifts neues Album ist soooo gut” oder ”Miley Cyrus macht jetzt Rock!” sind hier im übrigen nicht zu erwarten.
Am Ende des Tages höre ich lieber Musik, die irgendwer auf seiner Bontempi unter seinem Hochbett zusammengedengelt hat, als so 17-Produzenten-Monster wie ”Blinding Lights”, die einfach nur Synthwave die komplette Seele raussaugen und das glattproduziert wieder hochwürgen…
(wobei das durchaus ein okayer Song ist)
Aber genug geredet, Zeit für Musik. ARE YOU READY FOR THE SOUND OF 2020???
Nicht? Auch egal. Let’s go…
56. Ruined Conflict feat. Henrik Iversen – The Silent Ones
Ganz am Ende der Liste findet sich dieses Werk, erschienen auf Infacted Recordings – dem Label, das einem mehr Emails schreibt als der Prime Minister des Kongo und sämtliche russischen Hacker, die dich beim masturbieren gefilmt haben zusammen.
Eine futurepoppige Studie in naiver Lautmalerei auf dem lyrischen Level von ”Mein Freund der Baum”, ist der Track bei der Vorbereitung der Liste bestimmt 10x rein und wieder rausrotiert, aber es ist einfach so ein verdammt unverschämter Ohrwurm, dass ich nicht dran vorbei konnte.
Es gibt das ganze in verschiedenen Varianten, ich habe mich hier für die Version mit Vocals von Henrik Iversen von NamNamBulu entschieden.
55. Body Beat Ritual – Teethgrinder
Jetzt wird’s gleich mal ein bisschen ruppiger mit ein wenig EBM / Powerelektro aus Neuseeland.
So hört sich das wohl an, wenn du die Fahrt auf der Achterbahn nicht im Wagen geniesst, sondern zwischen dem Wagen und den Schienen…
Es empfiehlt sich übrigens, den ganzen Shit hier derbe laut oder zumindest mit Kopfhörern zu höre…
54. OOTW – Body Horror
Da treibst du nichts ahnend auf deiner Hängematte auf dem blauen Meer und plötzlich rumort da ein unfassbarer Bass unter der trügerisch glatten Wasseroberfläche, der dir den Marillenknödel aus den Kiemen massiert.
Dubstep, im weitesten Sinne, Trommelfellkiller im engeren…
53. Assemblage 23 – Tragedy
Jo, plötzlich wieder Pop.
Tom Shears Projekt Assemblage 23 hat mich eigentlich seit dem ersten Ton seiner ersten Veröffentlichung im Sack gehabt. Irgendwie immer mit in die böse Futurepop-Grube gekärchert ist das einfach feine elektronische Popmusik.
Und spätestens seit ”Disappoint” vom 2001er Album ”Failure”, in dem er den Selbstmord seines Vaters behandelt, bin ich Fan for life. Die Zeilen ”Though you are gone, I am still your son. And while your pain is over mine has just begun” treiben mir immer die Tränen in die Augen.
In letzetn Jahr erschien mit MOURN das lange erwartete neue Album und es ist wie immer sehr gut. Weniger offensive Club-Banger, aber immer mit einer Hand für leicht bis nicht ganz so leicht ins Melancholische zuckende Melodien…
52. Kite – Bowie ’95
Die Elektropopmeister aus Schweden, die ausschliesslich EPs veröffentlichen (das tolle Live-Album ”Kite At The Royal Opera” mal aussen vor), produziert von Benjamin John Powers von Blanck Mass.
Hier quillt so viel Gefühl, so viel Leben aus jeder Note, aus jedem Beat, dass es schon fast unheimlich ist. Und dieser seltsam traurig-euphorische Refrain. So jubelt man wohl, wenn eine besonders schöne Blume verblüht…
51. Blitzkrieg Baby – Just Another Throat to Slit
Bleiben wir im hohen Norden, in Norwegen.
Warum eigentlich hoch? Gibt es auch einen niedrigen Norden..!? Wer weiss es schon…
Wenn es einen Track auf meiner Liste gibt, der das Jahr 2020 musikalisch perfekt abbildet, dann ist es wohl dieser hier. Auch ein grandioser Track, um alle Zuhörer mit ordentlichen Albträumen in die Nacht zu entlassen.
Irgendwann fahre ich mal mit dem Track auf voller Lautstärke hier durch die Reihenhaussiedlung…
50. Panic Priest – Pretty Evil Seed
*hust* Retro.
Metallisch scheppernde Beats gehen ordentlich nach vorne, während im Hintergrund eine zarte Melodie durch das Soundgerüst flirrt, wie eine notgeile Motte kurz vor dem Sturz in die Flammen…
49. clipping. feat. Ho99o9 – Looking Like Meat
So und nicht anders muss Hip Hop für mich sein. Voller Wut und Lärm, mit Beats knarziger als ein Ent nach dem Gruppensex. Industrial Horrorcore Rap, oder so…
48. ADULT. – Second Nature
ADULT. sind für mich ja immer Hit oder Miss gewesen, aber wenn sie gut sind, dann mal so richtig.
Nimmste Kraftwerk und röstest sie mit ordentlich Oberhitze zu knusprigen Chips und servierst das ganze mit ner schön eingekochten Electroclash Demi-glace und fetter Duracell Infusion.
Und diese dezent arrogant-entrückte Stimme… ?
47. Radicall – One Moon, One Star
Die Beats so schraggel, schraggel. Dann ballert ein Roundhouse Kick die Bretter von den vernagelten Fenstern und: Piano, Sonne, Hallelujah.
Ich habe ja durchaus auch viel Drum’n’Bass in diesem Jahr gehört, aber nichts davon ist in der Best-of gelandet. Bis auf dieses Happy Hardcore Zuckerstück…
46. Fire-Toolz – It’s Now Safe to Turn Off your Computer
Man könnte fast meinen, dass ich es geplant hätte, dass es jeweils an strategischen Punkten dieser Liste immer etwas dystopisch wird, aber echt ey, das ist Zufall!!!
So hört sich das wahrscheinlich an, wenn ne Death Metal Combo über’s Wochenende in nem Kaufhausfahrstuhl eingeschlossen ist, komplett mit Lounge-Jazz Mittelstrahl Berieselung…
Und das Video erst. Alter!
Weiter geht’s mit den Plätzen 45-41. Da wird dann auch wieder ordentlich Beat-Parmesan aus dem Laib gehobelt…
45. TR/ST – Dissolved
Von TR/ST hat man im letzten Jahr nur sehr wenig gehört, nachdem er ja 2019 sogar zwei Alben vorgelegt und mit ”Destroyer” einen der Hits des Jahres rausgehauen hat.
Eines der wenigen Lebenszeichen 2020 war dieser Track. Die Beats rumpeln schmierig-schleppernd vor sich hin, wie von mit Dieselaggregaten betriebene Drumcomputern.
So stelle ich es mir vor, wenn der letzte, zwei Jahre nach seinem Tod bei einer Seance aufgenommene, Captain Jack Track auf 12 RPM abgespielt wird.
Und hier nochmal das grandiose DESTROYER, einfach weil ich kann…
44. Lol K ft. Coby Sey – Oilseed Stone
Hast du dich schon mal gefragt, was dabei rauskäme, würde Chris Cunningham bei deiner Darmspiegelung Regie führen? Voilà.
Dieses Video… ?
43. Visitor – Chipping Away at the Technofossil
Und jetzt mal wieder ein bisschen 4-to-the-floor. Irgendwo zwischen New Beat und dem melodischen Ende von EBM haben Visitor ein relativ geniales Album vorgelegt. Und diesen geilen Track, der es bei mir auf Platz 43 geschafft hat…
Danceable und catchy as hell!
42. hhnoi – Reset the Preset
Kurz vor Jahresende am 1. Weihnachtstag reingekommen. Die Sachen von Marco Petracca, der hinter hhnoi steckt, kaufe ich blind, weil die IMMER gut sind.
Für seine Deutschpop-Band Les Mercredis habe ich seinerzeit auch mal einen Remix angefertig. Und sein Electropop-Projekt Hearhere ist sowieso auch genial und absolut unverdient komplett unbekannt.
Die Beats geben’s dir links und rechts, der Bass wuselt sich durch deine Magengrube und durch’s geöffnete Fenster schwirrt eine süsslich-melancholische Melodie herein.
Wenn Autechre keine verkopften Pisser wären und nach Basscadet einfach in der Richtung weitergemacht hätten, würden die heute so Musik machen…
41. (Dolch) – An den Mond (Version II)
Ich nenne dieses Stück ”Atomarer Erstschlag im Dorf der Schlümpfe”.
Wie die Schatten der Seelen, der im Feuerblitz umgekommenen kleinen blauen Gesellen, sich an den Händen fassen und zum letzten mal ein gemeinsames Lied anstimmen, während um sie herum die Feuersbrunst tobt…
Leider ist die von mir auf der Liste platzierte Version II dieses Tracks, von der aktuellen EP ”Digitale Tanzmusik Vol. 1”, nicht auf YouTube, also müssen wir auf die erste Version von 2018 zurückgreifen.
So brachial, so zerbrechlich, so wunderschön…
Tja. Und schon wieder nicht unbedingt mit Andy Borg Material. Aber wie sagte mal ein kluger Mann: ”Je länger die Nacht, desto dunkler der Morgen.” In diesem Sinne, weiter geht’s. Hilft ja nix…
40. Die wilde Jagd – Sankt Damin
Jetzt mal ein bisschen Doomfolk.
Zu diesem Track sitze ich gerne vor meiner Jurte im taubenetzten Klee und schäle mir ein paar von einem befreundeten Jäger gefangene hipsterbärtige Rucksacktouristen…
39. Ye Gods – Sacrifice
Hahaha! Diese Bassline.
Wenn ich irgendwann mal ein Parfait aus dem Weltuntergang mache, dann schmeckt das so…
38. Bob Vylan – We Live Here
Bob Vylans Grime-Punk-Dropkick direkt in die Fresse aller Rassisten. ”We didn’t appear out of thin air. WE LIVE HERE!”
37. Ms. Carrie Stacks – A Friend
Du träumst, dass du ein Schmetterling bist. Du fliegst über die grüne Blumenwiese. Alles ist gut. Plötzlich ein Netz, jemand betäubt dich. In deinen letzten lichten Momenten siehst du eine Nadel auf dich zu kommen. Du verstehst die Welt nicht mehr…
Dann wachst du auf und das letzte was du spürst, ist wie sich die Nadel in dein Herz bohrt.
Nein, ich verstehe die Welt auch nicht. Aber trotzdem darf man sie ja schön finden…
36. DILK – Pluto
Und zur Abwechslung mal wieder ne Runde wave-tanziges aus Spanien…
35. Letter from St. Anthony’s
Du trinkst den letzten kalten Kaffee an der letzten Autobahnraststätte nach dem Ende der Welt, während eine schlechte Animatronic-Version von Gunter Gabriel ein paar Noten auf ihrer Klampfe zupft. Die Sonne geht auf und lässt einfach los…
Vorsicht: Schniedel-Alarm im Video.
Oder die SFW-Variante direkt hier…
34. Public Memory – Ledge of Ash
Und weiter mit der lebensbejahenden Fröhlichkeit. Irgendwie kann ich ja doch nicht aus meiner Haut.
Quasi die dystopische Version von MOMENTS IN LOVE. Komplett mit Fingerschnippen. Allerdings mit gebrochenen Daumen…
33. Karl Kave – Talk Talk Talk
Karl Kave aus dem malerischen (Ist das so? Keine Ahnung, war noch nie dort) St. Gallen produziert in seiner Wohnküche einen Fo-Fi Hit nach dem nächsten. Ob mit Synth, oder Gitarre, scheissegal. Aber immer fürchterlich gut…
32. Walter Frosch – Searching Hands
Bleiben wir in der Schweiz. Nach Peppa Wutz kommt nur noch Walter Frosch…
Absoluter Zufallsfund durch die geniale Eigenschaft von Bandcamp, mir eben auch anzuzeigen, was Leute, denen ich folge, kaufen. Das kriegen ja weder Spotify noch iTunes ordentlich hin.
In diesem Fall rutschte dieser Track vom Album ”Diskothekenbesitzer” an mir vorbei, weil es der von mir sehr geschätztet Philipp Strobel, fellow Gelsenkirchener (mittlerweile Berlin) mit einem überwiegend guten Geschmack und Kopf hinter dem Aufnahme+Wiedergabe Label, es erwarb.
Eventuell der beste Song, den New Order nie geschrieben haben…
31. Señor Chugger – Press the Flesh
Zum Abschluss der 30er-Sparte, quasi als guter Dessertwein, noch ne Runde im Italo-Autoscooter.
Da ich diese Musik ja liebe, bin ich über jeden Künstler froh, der den Sound in die Moderne holt und nicht einfach nur so klingt, als wäre er im Jahr 1986 eingefroren worden und nur mal kurz für ne Best-of Show in Russland wieder aufgetaut geworden.
Daher gibt es hier ordentlich Druck auf die Trommel, ohne die feine Melancholie der handelsüblichen Italo-Melodie zu vernachlässigen.
Finden lässt sich das ganze auf der ”One More Tune and One More Pint EP” auf dem vollumfänglich empfehlbaren Label Moustache Records.
Geile cheesy Tom-Rolls inklusive…
30. Project Lazarus – Arrival
Was das? Ambient? Oder zumindest Electronica.
Ich stelle mir bei den Sounds vor, in einer leichten Brandung zu liegen und auf den Sonnenauf- oder untergang zu schauen. Nur, dass es kein Wasser ist, sondern Salzsäure…
Die Version von Café del Mar, um sich in Bernstein einschliessen zu lassen.
29. Eyes of Another – A Faint Young Sun
Das hier fängt genau so ruhig an, bis es dann bei 5:36 einfach explodiert. Quasi wie das Leben selbst.
Wenn du irgendwie gar nichts mehr verstehst, hilft dann schreien..!?
Wie da am Anfang der Bass so reinschlabbert, die Hi-Hat sich von hinten an dich schmiegt, das ist schon maximal gross.
Kann man auch gut in einer Session mit MOGWAIs ”We’re No Here” hören.
Und genau so unspäktakulär, wie du gekommen bist, gehst du auch wieder und die Welt dreht sich weiter…
28. Minuit Machine – Danger
Jetzt wird das Instrumentarium mal wieder etwas funktionaler eingesetzt.
Bass und Beat stampfen ohne nach links und rechts zu schauen und trotzdem ist das ganze dabei noch richtig schön catchy.
Manch einer würde wohl sagen, dass der Track eher melancholisch-distanziert ist, aber mich holt der an genau den richtigen Stellen ab…
Wenn du die Welt durch eine meterdicke Glasscheibe betrachtest und weisst, du kriegst das verdammte Fenster niemals auf.
27. Bestial Mouths – In Ruins
Wir bleiben in der selben musikalischen Ecke. Ich würde Bestial Mouths vorwitzig als ”Artcore-EBM, gewälzt im Sud von Nina Hagen” bezeichnen.
Hier ist das Nina-Level glücklicherweise recht weit runtergedreht…
26. DSM-V – Into Nothing
Und auch mit dem nächsten Track verbleiben wir auf dem Dancefloor.
Schlürfender Staubsauger-Bass und eine Gitarre, die eine verträumte Goth-Melodie zaubert.
Als hätten es Peter Murphy und Ricky King miteinander getrieben.
Hätte vorher nicht gedacht, dass dieses Stück so weit oben in der Liste landet, aber es ging nicht anders.
Auf den nächsten Plätzen dann – checks notes – Beats, Weltschmerz und Italo. Also alles wie immer. Da ist die Freude gross…
25. Tineidae x Comforting Darkness – Grotto
Das dürfte vermutlich einer der Tracks sein, mit denen ich hier keinen grossen Konsens erziele. ”Da kannste dich ja auch einfach vor’s Berghain stellen und zuhören, wie drinnen die Beats wummern.”
Ja, aber. Ich spreche ja durchaus auch immer mal wieder auf Tracks an, die aus dem Reich der Monotonie zu uns hinüberlugen. Wenn dann die Frequenzen stimmen, dann zwirbelt das meine Nippel aber mal so richtig.
Die Drums ballern mit ordentlich Hall vor sich hin, während Rübezahl persönlich den ein oder anderen sphärischen Zapfen von der Melodie-Tanne klopft.
Das KANN schief gehen und fürchterlich langweilig sein, aber hier funktioniert es perfekt…
24. HEALTH + Xiu Xiu – Delicious Ape
Die Cyberpunks von HEALTH, die noch nie nicht abgeliefert haben, und dann noch Xiu Xiu dazu. Verspult, zerbrechlich, verzweifelt, aggressiv, perfekt.
Kann man prima Einhornföten zu filetieren.
Und ab 4:00 – mein Gott, was zaubert mir das ein Lächeln ins Gesicht…
23. Hante. – In Raptures
Jetzt gibt’s zwei mal feinste Cuts aus der Darkwave-Oberschale mit Electro-Dressing. Die Melodie irgendwo dahinten, denn Schwermütige Menschen müssen sich beim tanzen schämen und, Hallo! 80s Synths! Ach, Hante. ist einfach geil.
Wobei, eher so 90s Trance-Synths. Egal…
22. Lebanon Hanover – The Last Thing
Gleiche Richtung. Gleiche Schwermut. Gleiche Wunderschönheit.
Warum spürt man eigentlich in der Traurigkeit erst, wie schön das Leben sein könnte..!?
Wie die Stimme da über den auf den Bahngleisen festgebundenen Basslauf rauscht. ?
Nicht schnell, nicht bestimmt, aber mit dem Wissen, du kommst eh nicht weg…
21. Pablo Bozzi – Reach for the Lasers
Dann nochmal Italo. Aber ich kann ja auch die Village People nach nem Muslimgauze Track hören.
Pablo Bozzi ist vermutlich die Hälfte aller Leute, die Italo-Techno machen. Aufnahme+Wiedergabe, Bite, Imperial Black Unit – überalle schonmal durchgetobt und ordentlich Retro-Laich abgelegt.
Reach for the Lasers! Mehr gibt’s dazu auch gar nicht zu sagen.
20. Horror Vacui – My Funeral My Party
So langsam kommen wir in die interessanten Regionen der Best-of 2020 und endlich werden hier auch mal die Gitarren ausgepackt. In diesem Fall Gitarren aus Italien mit HORRO VACUI. Leicht angepunkter Death-Goth. Inkusive fein handanimiertem Video.
19. Alfred Heinrichs feat. Lukas Potempa – fühlen
Trance ist ja auch so eine in Vergessenheit geratene Kunstform. Wenn wir jetzt mal nicht über dieses unsäglich Holland-Synth Geschredder reden.
Herr Heinrichs macht hier, wie bereits zu anderer Zeit von mir bemerkt, sehr viel richtig; kombiniert Techno und trancige Sounds zu einem ganz eigenen Klangkosmos.
Gott! Was für ne Bassdrum… ?
18. Earth Trax – I’m not Afraid (1-8000 GIRLS Remix)
Bleiben wir noch nen Moment im sphärischen, mit EARTH TRAX im 1-800 GIRLS Remix. Sounds 90s as fuck und Atmosphäre, als wenn die Geister von Katzenbabys ganz ganz zart deine Seele streicheln…
Dit is Rave, Alter!
17. Mark E. Moon – Hollow Eyes (Locked Down Mix)
Ja nee. Das war’s noch nicht mit den etwas rockigeren Sounds. Kratzt schon ein wenig arg am Stadion, aber nur wenn das Stadion irgendwo in den Ruinen einer heruntergekommenen ehemaligen Industriestadt steht.
Manch einer würde sagen ”Hymne”. Musste nur Nickelback aushöhlen, da die Jungs von The Mission reinstopfen und Eier drannähen…
16. Profit Prison – A Premonition
Italo Künstler kommen nach ihrem Tod in die Hölle. That`s a fact.
Der Beweis: Diese Nahtod-Italo-Selbstgeißelung direkt über’s Dosentelefon aus dem 7. Kreis der Hölle aufgenommen.
Und die Beats ballern dir deinen drei Wochen durchgetragenen Stringtanga links und rechts um die Fresse…
Coming up: Der letzte Halt vor der Top-10. Mit dabei: dystopisches Schnarren, lustig hüpfende Melodeien, die Vorhaut von John Foxx, irgendwas wie Archive und Neues aus der Goth-Disco.
15. Ital Tek – Open Heart
Ital Tek ist ja einer der Künstler, der auch seine elektrische Zahnbürste aufnehmen könnte und damit auf meiner Liste landen würde.
Der ganze, latent bedrohliche, cineastische Aufbau, arbeitet ganz sachdienlich einzig und allein auf den Punkt bei 3:18 hin, der dir dann den Teppich unter den Füssen wegreisst, dich darin einrollt, in den Kofferraum schmeisst und dahin fährt, wo die Hatz abgeht.
Sorry, aber: Episch!
14. Figueroa feat. Only Child – End of Summer
Jetzt wird es ein wenig verworren, denn sowohl Figueroa, als auch Only Child Tyrant sind Projekte von AMON TOBIN, der sich hier einfach mal selber featured. Amon Tobin Inception, sozusagen.
Sein anderes anderes Projekt TWO FINGERS hätte es mit ”Fight! Fight! Fight!” auch fast noch in die Bestenliste geschafft.
Das ist hier quasi Psych-Rock, wenn du vorher mal deinen ganzen Maschinenpark durch LSD-Wackelpudding gezogen hast und dann kommt da halt was raus, was von der größe der Geste her an ”Again” von ARCHIVE erinnert. Was ja erstmal ne top Referenz ist…
13. Talk to Her – Ibisco
Da kommste in die Goth-Disco und willst einfach nur deine drei Schritte vor und drei zurück durchziehen und dann kommt das hier auf den Plattenteller.
Geile Stimme, Arme weit offen, dass Weisse in den Augen, geile Weite im Sound, wie Neupfundland auf die dicke eines Schokoplätzchens ausgerollt. Und die Schminke zerläuft in der Moshpit…
Hashtag #gitarren
12. keine ahnung – Nebeltropfen
Ok, äh… das hier wäre dann der Bubble Bobble Soundtrack, eingespielt von einem Marienkäfer nach drei Viagra…
11. Nation of Language – Friend Machine
In einem abgelegenen griechischen Bergdorf gibt es einen findigen Geschäftsmann, der aus der abgelegten Haut von John Foxx neue Synthpop-Bands bastelt.
Meistens reicht das höchstens mal für einen minderschweren Hit, der in der Disco gespielt wird, bevor die Türen geöffnet werden, oder auf irgendeinem Sampler an 16ter Stelle verramscht wird.
Ab und an kommt da aber Großartiges bei raus. Also genau genommen eigentlich nur einmal. Dafür dann aber so richtig.
Das geiler Synthpop, Altah!
Damit wäre wir dann tatsächlich nach gefühlt siebeneinhalb Jahren auch bei der Top-10 angekommen. Also: Durchhalten! Es ist bald vorbei…
10. I.G. – Gelände
Und wieder mal ein Perle aus dem Genre des Abstellkammer-Pop. Wenn ”normale” Künstler ihre Tracks in einem High-End Studio aufnehmen, dann ist sowas wie das hier eindeutig aus der Abstellkammer unter der Treppe im Ligusterweg 4.
”Hey! Ich hab Synth!” – ”Geil! Lass Hit schreiben!”
20 Aufrufe auf YouTube seit August 2020. I listen to bands that don’t even exist yet…
9. Lauren Bousfield – Crawling Into a Fireplace Cackling
Glitch Pop? Artschool Bullshit? Irgendwie alle Genres gleichzeitig, wenn Gleichzeitigkeit irgendeinen Sinn ergäbe. Weiss man gar nicht so genau, ob hier Ironie im Spiel ist, oder alles todernst gemeint.
Lauren Bousfield steckt übrigens auch hinter einem der besten Breakcore Acts ever: Nero`s Day at Disneyland.
8. Black Egg – Under Your Will (Subspace)
Das hier ist im Gegensatz zum vorherigen Track allerdings absolut ernst gemeint. Das ist dann eher die Richtung Musik, wo ein Manifest dahinter steckt. Wo man sich unter Kapuzenmänteln versteckt im Wald trifft, eine Ziege schlachtet und im Schein des Feuers dystopische Synth-Sounds arrangiert, die sich an arglose Spaziergänger heranschleichen.
Marschmusik für den Tag der Toten…
7. Haus Arafna – Deine Liebe [Durchdringt die Welt]
Wir bleiben noch ein wenig im Reich der an-industrialisierten Kälte.
Stell dir Westworld (der Film, nicht die Serie) vor, aber statt Cowboys sind alle Roboter dort Alleinunterhalter mit so ner Drehorgel. Komplett mit ausgestopftem Äffchen. 700 Jahre nach Schliessung des Parks, spielt der letzte von ihnen dieses Lied.
Haus Arafna reissen dir den Brustkorb auf und kotzen dir Kälte und Düsternis direkt ins Herz.
Und das ist schon das poppigste Stück vom letzten Album…
6. Carlo Onda – Sleepy Sleepy
Und weil ja alles eine Spannungskurve braucht, auch diese Liste, wird es mal wieder Zeit für eine poppige Note. Auch in Vorbereitung auf die Top-5, die deutlich geschmeidiger und treibender wird.
Bügel mal all diesen Synth-Schranzen den Glam aus dem Leib, dann unterhält sich Carlo Onda nochmal mit dir. Ordentliche Bobby Orlando Infusion inklusive. Das ganze Album ist übrigens höchst fantastisch!
Könnte man jetzt super Konstantin Unwohl hinterher hören, der hat aber leider nur 2019 und 2021 ein Album rausgebracht.
Für die Top-5 holen wir dann nochmal ganz amtlich die Gitarren aus dem Schrank, giessen uns ein wenig Synth-Pop ins Badewasser und, nunja, es gibt den Besten Track des Jahres zu hören…
Seid ihr auch schon so gespannt auf die besten 5 Tracks des Jahres 2020?
Jetzt, wo ich mit der Liste hier schon gefühlte zwei Jahre zu Gange bin, möchte man ja fast gar nicht mehr, dass es aufhört…
5. Gold – You Too Must Die
Wie bereits angekündigt, wird es nochmal deutlich gitarrenlastiger als bisher.
Von Gold gab es, streng genommen, 2020 gar nichts Neues. Das unglaublich gute ”Why aren’t You Laughing” erfreute ja bereits 2019 das Gehör der Welt.
Trotzdem hat die niederländische Band im vergangenen Jahr ganze DREI Veröffentlichungen rausgebracht.
Wenn es irgendwann mal wieder möglich sein sollte, schaut euch Gold unbeding live an. Ich hatte das Vergnügen, die Offenbarung, in einem abgeranzten Keller, vor einer Hand voll Leuten. Da kamen dann 6 Damen und Herren auf eine Bühne von ungefähr der Grösse des Stuhls auf dem ich gerade sitze.
Und plötzlich lassen die die unfassbarste Wall of Sound auf die Zuhörer los, die ich je erlebt habe. Und über allem schwebt die fragile Stimme von Milena Eva.
Es gibt wohl kaum einen Sound, der besser zum aktuellen Weltgeschehen passt…
4. Kindest Cuts feat. New Haunts – All You Need is Money
Irgendwie wünscht man sich ja immer, mal wieder nen tollen Synth-Pop Track zu hören. Von Depeche Mode dürfen wir den ja in diesem Leben nicht mehr erwarten.
Hier tackert die Bassline metallisch über nen zarten Vorstadt-Breakbeat und über allem die tolle, leicht unterkühlte Stimme.
Die besten Syth-Tracks schaffen es ja immer, aus eigentlich kühlen Elementen, eine gewisse Wärme ins Herz zu zaubern.
Ebenfalls in 2020 erschienen: eine sehr empfehlenswerte Werkschau auf Oraculo Records. Viel gibt es von dem Projekt nicht, aber vielleicht ist das auch gerade richtig, damit man nicht auf einmal die Bluesgitarren rausholen muss, um sich nicht zu wiederholen…
3. DIAF – Nacht
Jetzt wird’s komplett crazy.
Stell dir vor, Ian Curtis hätte nicht in Manchester rumgehangen, sondern wäre auf einer bayerischen Alm aufgewachsen und hätte Gesangsunterricht beim jungen Joachim Witt genommen und du hast DIAF.
Astreiner Wave-Rock mit, of all things, Gesang in bayerischem Dialekt. Das dürfte in keiner der bekannten Dimensionen funktionieren, hat aber eines der besten Alben des Jahres 2020 zum Ergebnis.
Naja, und bei dem Gesangsstil könnte das ja eigentlich jede Sprache der Welt sein… ??♂️
2. Cerulean Veins – Fell in Love
Es kommt tatsächlich kaum vor, dass ich einen Song mehr als einmal höre. Bei den letzten beiden auf meiner Liste ist das anders. ”Fell in Love” von Cerulean Veins habe ich, nachdem ich ihn entdeckte, bestimmt zwei Stunden am Stück gehört. Also so 20-30 mal.
Das packt mich einfach an komplett den richtigen Stellen. Und das ist metaphysisch gemeint, ihr Ferkelchen.
Die Strophe, der Refrain, der nochmal aufs Gaspedal tritt, die flirrenden Synths im Chorus, dann der Breakdown, der sich bis zur Eskalation hinaufschraubt. Das ist schon nahezu perfekt…
1. Seeming – Go Small
An dieser Stelle geht mir nun komplett die ironische Distanz aus. ”Go Small” von SEEMING ist der beste Song des Jahres und auf jeden Fall im einstelligen Bereich meiner Top-ever.
Wenn es langsam lostrommelt und zupft und dann zum ersten mal dieses Synth-Motiv reinhaut. Das ist unfassbar schön.
Wenn Ed Sheeran Eier, Talent und nur einen Funken Anstand hätte, würde er so Musik machen…
Und so geht auch meine Best-of 2020 wie eigentlich alles zu Ende. Mit einem Knall der keiner ist, Stille und einem Gefühl der Leere.
Es war ja klar, dass die Liste deutlich weniger Emotion und Reaktion als, sagen wir, die Münchener Freiheit hervorrufen würde, aber es war mir einfach wichtig. Die Top-5 würde ich mir zumindest quer über’s Gesicht tätowieren lassen.
Und jetzt wo’s vorbei ist, ist ja endlich Zeit für die Schlümpfe… ?
Falls was für euch dabei war, ist hier eine Liste mit praktischen Bandcamp-Links.